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Ein Bettzank in fünf Stellungen | 2006

SIE und ER sitzen nebeneinander im Bett und gucken Video.

ER: Was ist los?

SIE: Nichts.

ER: Du hast doch was.

SIE: Es ist nichts.

ER: Nun sag schon. Ich sehe dir doch an, dass du grübelst.

SIE: Hm.

ER: Ich höre.

SIE: Okay. Ich hab mir das irgendwie anders vorgestellt.

ER: Bin ich dir zu direkt?

SIE: Nein, aber auch nicht neugierig auf mich.

ER: WAS redest du da?

SIE: Ich fühle mich fast ein bisschen austauschbar.

ER: Spinnst du jetzt?

SIE: Ficken vor laufender Kamera ist unpersönlich.

ER: Das sind WIR auf dem Video.

SIE: So meine ich das nicht.

ER: Es hat dir also nicht gefallen.

SIE: Doch. Aber es hat was gefehlt.

ER: Heute oder immer?

SIE: Wenn du mich so fragst…

ER: Fuck you!

SIE: Du verstehst nicht, was ich meine.

ER: Doch, vielen Dank.

SIE: Gestern hast du noch geschrieben, wie sehr du mich begehrst…

ER: Und?

 

POETRY-CLIP

 

ER blättert in einem Tittenmagazin. SIE nimmt die Kamera vom Stativ und beginnt das Publikum zu filmen. Das Publikum sieht sich selbst beim Glotzen zu.

SIE: Und du? Du ziehst dir diese Bilder aus den Medien rein. Brennst sie auf den Memory-Chip in deiner Zentrale für lustvolle Angelegenheiten. Samplest sie und projiziert sie auf meine Haut, weil sich dir meine Haut gerade anbietet. Speicherst die Kompilation im Verzeichnis Temporäre Dateien unter meinem Namen ab –

ER: Ich will dich...

SIE wirbelt herum, nimmt ihn ins Visier.

SIE: Sagst du! Und ich frage mich, ob du mich überhaupt erkennst hinter deinen Bildern. Ob ich jenseits ihrer Symbolik überhaupt existiere für dich.

 

SIE umrundet ihn mit der Kamera und filmt ihn, während sie spricht.

Du bist der Regisseur, der Hauptdarsteller, der Konsument. Ich bin das Modell. Die Kamera auf Weitwinkel, den Deckenfluter auf volle Pulle, absolviere ich den Parcours deiner Geilheit. Arrangiere meine Gliedmaßen nach deiner Choreografie. Konzentriere mich darauf, meine Gestalt ansprechend in die Schlafzimmerarchitektur einzupassen. Deine Lustvorgabe ins Reine zu zeichnen und mit a-a-akustischen O-o-ornamenten zu verzieren.

 

SIE setzt sich neben ihn aufs Bett und lässt sich von ihm die Kamera aus der Hand nehmen. Er schaut durch den Sucher.

ER: Sexy Strümpfe. Hast du die für mich angezogen?

SIE: Also, zu Hause trag ich so was nicht.

ER: Au Mann.

SIE: Na, was.

ER (nachäffend): – Beim Putzen zieh ich die nicht an – Musst du immer alles kaputt machen?

SIE: Okay, noch mal von vorn: O ja, ich trag sie nur für dich, Baby!

ER: Ja, genau, so muss das klingen!

 

ER filmt sie.

SIE: Die Erektion verhärtet sich, das Spiel geht weiter. Immer hübsch bei der Stange halten. Niemals aus der Rolle fallen.
Und wenn doch, halb so wild. Du wirst die Szenen raus schneiden, die dir nicht gefallen.

Dabei muss ich zugeben, dass mir dein Portfolio imponiert.
Ich finde es geil, wie du die Netzstrumpfhose über meinem Arsch zerreißt, unter der ich keinen Slip trage, und mich mit deiner Zunge spaltest. Wie du meinen BH als Zügel benutzt, während du mich von hinten aufbockst. Mir deine Hand um die Kehle legst und damit meinen Kopf in den Nacken zwingst. Deinen Finger in mir umrührst und mich davon kosten lässt. Wie du sagst: Gut schmeckst du und mich dann küsst.

Aber wenn die Kamera mir dabei zusehen soll, wie ich es mir selbst mache, ist die Schau für mich gelaufen. (SIE hält das Objektiv der Kamera zu.) Fade-out!

ER: Wie passt das denn jetzt ins Bild?

SIE: Genau. Ich passe eben nicht ins Bild. Ich bin so viel mehr als du nachfragst, mehr als deine Cyberhure, mehr als die Validierung deiner sexuellen Kunstgriffe!

OFF (Service-Stimme): -- Unter den gegebenen Betriebsbedingungen weist das Produkt leider peinliche Abweichungen von den Erfordernissen des Anwenders auf. --

SIE: Warum denn an mir selbst rumfingern, wenn es uns geben könnte, verdammt?

 

SIE: Wo begegnen wir uns hier eigentlich?

ER: Was geht ab?

SIE: Wo berühren wir uns?

ER: Überall?

SIE: Ich meine geistig.

ER: Ach du Himmel! Jetzt komm mir bloß nicht mit diesem Verschmelzungsmist!

SIE: Du bist blöd.

ER: Ich ficke einfach gern hart.

SIE: Ich ficke gern intensiv.

ER: Das heißt?

SIE: Das heißt noch was anderes als hart ficken.

ER: Ich ficke auch manchmal sanft.

SIE: Du bist jetzt nicht wirklich so fantasielos, oder?

ER: Du kommst mir auch nicht gerade vor wie die sexuelle Revoluzzerin!

SIE: Ich rede ja auch nicht von irgendwelchen spastischen Stellungen.

ER: Sondern?

SIE: Ach, du bist mir zu simpel.

ER: Und du mir zu sensibel.

ER legt sich hin.

SIE (beobachtet ihn): Genau, so scheiß sensibel. Hast du eine Ahnung, wie deine Schönheit mich quält, wenn du schläfst? Wie eine Juwelendiebin stehle ich deinen Anblick, mit diesem Thrill im Bauch. Jede Minute neben dir will es mit der Ewigkeit aufnehmen. Und deine Freundin, das Mäuschen, nennt dich Hase.

SIE legt sich neben ihn. Ein Sopran aus dem OFF trällert Ha-a-a-a-se. ER nimmt einen Revolver und gibt einen Schuss in die Richtung ab, aus der die Stimme kommt. Stille.

 

ER: Kannst du schon wieder nicht schlafen?

SIE: Nein.

ER: Schnarche ich?

SIE: Nein.

ER: Und warum starrst du dann Löcher in die Luft?

SIE: Weil ich so eine Lust auf dich habe.

ER: Es ist fünf Uhr morgens.

SIE: Na und?

ER: Kannst du es dir nicht ausnahmsweise mal selber machen?

SIE: Das ist nicht das gleiche.

ER: Aber ich kann mich kaum regen, so müde bin ich.

SIE: Du bist brutal, so gut zu riechen und dabei neben mir zu schnarchen.

ER: Ich denke, ich schnarche nicht.

SIE: Dann halt schlafen.

ER: Schlafen ist gesund.

SIE: Sex auch.

ER: Drei Nächte durchzuschlafen ist gesünder als drei Nächte durchzuvögeln.

SIE: Du musst dich nicht dafür rechtfertigen, dass du mich verschmähst.

ER: Ich verschmähe dich nicht, aber dann müssen wir einfach mal früher anfangen.

SIE: Ich war schon um neun da.

ER: Da haben wir gearbeitet.

SIE: Dann vergewaltige ich dich jetzt.

ER: Männer kann man nicht vergewaltigen.

SIE: Darf ich dich wenigstens streicheln?

ER: Du darfst mir auch einen blasen.

SIE: Na bitte.

ER: Aber davon wirst du wohl kaum müde.

SIE: Hab ich immerhin einen Zeitvertreib.

ER: Geiles Miststück.

SIE: He, liegen bleiben!

ER: Von wegen. Wenn du schon meinen Schlaf nicht respektierst, vertreib ich mir halt die Zeit mit dir…

 

OFF (Dampflokgeräusche, schneller werdend. SIE und ER sitzen sich gegenüber, schauen sich in die Augen, atmen sichtlich, synchron zum Rhythmus): -- Das System kommt in Fahrt – automatisch ablaufende Vorgänge, in die einzugreifen schwer oder unmöglich ist. --

SIE: Und die Gefühle, die deine Fickmaschinerie in mir ereugt: Nichts als Abfallprodukte deiner Egofabrik? Sondermüll? Vorsicht, verstrahlt!

ER dreht sich von ihr weg.

 

ER: Um es mal klipp und klar zu sagen, ich finde dich unendlich klasse und scheiß attraktiv und –

SIE: Und sexy!

ER Und sexy und alles, aber – ich bin nicht in dich verliebt oder so.

SIE: Äh – ja, nee. Ist klar.

ER: Und werde es auch nie sein, denke ich.

SIE: Ja, nee, ist klar. Ich – bin halt nicht blond.

ER: Jetzt werd nicht albern. Ich bin einfach mal anderweitig vergeben, okay?

SIE: Ja, nee, ist klar.

ER: Männer können eben ohne Emotionen ficken.

SIE: Wie – du fühlst gar nichts für mich?

ER: Na, keine romantischen Gefühle jedenfalls.

SIE: Ah.

ER: Aber ich mag dich wirklich sehr.

SIE: Ja, nee, ist klar.

ER: Wir sind gute Freunde, okay?

SIE: Freunde, okay.

SIE (prustet): Freunde, okay.

Die Sopranstimme aus dem OFF trällert Frrrreunnnde... ER reicht IHR die Knarre. SIE überlegt einen Moment und schießt IHN in den Kopf. Die Sopranistin in Schusslinie fällt um.

ER (wischt sich das imaginäre Blut vom Kopf): Darf ich dich noch eben vögeln, bevor du gehst?

SIE steht auf und zieht sich an.