leowee.de

skizze

drama

prosa

drehbuch

hörspiel

lyrik

essay

glossar

porträt

interview

kritik

bericht

referenzen

blonde street

Kurzfilm | Buch/Regie: Leowee Polyester | Produktion: _himbeergeist: Berlin 2007 | Dauer: 23' 34''

-[Drehbuch (PDF)]-> | -[Szenenfotos]-> | -[Film sehen]->

Wenn Zuhälter-Frankie und Schlumpfine mit einem stöhnenden Rollkoffer durch urbane Schauplätze zockeln, erregen sie damit – was? Die Öffentlichkeit? Oder nur sich selbst? / Alle reden über Sex. Wir reden über das Gerede über Sex. Am Konferenztisch sitzen neben dem bizarr klischierten Gespann aus dem Rotlichtmilieu ein Consultant, ein Sozialwissenschaftler und eine Romancienne. Ist das nicht VERDAMMT BILLIG?

Mit Textzitaten von René Pollesch (»Stadt als Beute«), Benoîte Groult (»Salz auf unserer Haut«), Anaïs Nin (»Elena«), Elfriede Jelinek (»wir sind lockvögel baby!«, »Lust«), Die Bibel (Psalm 23), Schwester S (»Ja klar«), von Aufsätzen aus dem Reader »Porno Pop. Sex in der Oberflächenwelt«, hg. von Jörg Metelmann, sowie aus Leowees Inbox 2006.

 

Konzept

Straßenszenen:

Ein Porno-Macker (Zuhälter-Frankie) zieht seine billig aufgemotzte Blondine (Schlumpfine) herrisch am Handgelenk hinter sich her durch die Straßen Berlins. Sie zieht ihrerseits einen Rollkoffer hinter sich her, aus dem obszöne Laute dringen, dazu die von einer Frau wiederholt gestöhnten Worte »Fuck, Frankie!« (dabei handelt es sich um den gleichnamigen Track von Marilyn Manson). Das Paar schaut einander nicht an und spricht nicht miteinander, allenfalls gibt er ihr barsche, abfällige Kommandos.

Ausgehend vom Neuköllner Körner Park passieren sie einige Straßen im umliegenden Kiez und machen auf ihrem Weg Halt an diversen Alltagsstationen, etwa einem Kiosk, einer Schlecker-Filiale oder einer City-Toilette. Mit der U-Bahn fahren sie zum Straßenstrich Kurfürstenstraße, besuchen einen Sexshop, die Schlazimmerabteilung des Möbelhauses Hübner und den Potsdamer Platz. Zwischendurch verhandelt er per Handy mit diversen Freiern, während sie lethargisch an seiner Zigarette zieht.

Dem Paar folgt unauffällig eine Person mit versteckter Videokamera und filmt auch die Reaktion der Passanten. Wie reagieren die Leute der unterschiedlichen Milieus? Fühlen sie sich provoziert? Durchschauen sie die Fingiertheit ihrer Rollen? Interagieren sie?

Konferenzszenen:

Schlumpfine und Zuhälter-Frankie dabattieren in einer ›Expertenrunde‹ über die ›Pornoisierung der Mediengesellschaft‹. Schon bei der Anmoderation wird deutlich, dass es sich dabei – das Talkshow-Genre schlechthin parodierend– um pseudointellektuelle Platitüden handelt. Mit fortlaufendem Gespräch, in dem keine wirkliche Kommunikation zustande kommt, werden die Talkgäste ›persönlicher‹ und lassen, jeweils ein gesellschaftliches Prinzip repräsentierend, in ›ihre‹ Abgründe blicken:

Der Soziologe kommt als verklemmter intellektueller Trottel daher (dass der Darsteller Jef Chippewa als Nicht-Muttersprachler seinen Text kaum selbst versteht und sich dementsprechend oft verhaspelt, treibt die Parodie auf die Spitze), der Consultant erfüllt das Klischee von einem süffisanten Snob, die Romancienne läuft mit der Verteidigung des romantischen Liebesideals ins Leere und Zuhälter Frankie kokst unterm Tisch, steckt die Nase in ein Tittenmagazin und blökt unflätige Kommentare in die Runde. Einzig und ausgerechnet Schlumpfine versteht es, ihre devote Rolle selbstironisch zu kommentieren.

Auf diese Weise dekonstruiert sie sich selbst in ihrer (fiktiven) Figürlichkeit. Gleiches bewirkt die mehrfache Wiederholung siginifanter Sprechpassagen in immer neuen Tonlagen/Perspektiven oder die Doppelbesetzung des Moderators und Zuhälter-Frankies durch denselben Darsteller im selben Kostüm (ihre Rollen unterscheiden sich lediglich durch die verspiegelte Sonnenbrille und ihre verschiedenen Sprechweisen).

Selbstreferenziell arbeitet sogar der Schnitt, indem misslungene sowie Off-Takes ausdrücklich in den Film übernommen werden. Ein die Fiktionalität desillusionierender Effekt ergibt sich außerdem dadurch, dass (Laien-)Darsteller wie Kameraleute das Skript erstmals vor Ort direkt vor Drehbeginn präsentiert bekommen und keine Gelegenheit haben, ihre Rolle vorab einzustudieren bzw. Kameraeinstellungen festzulegen. Improvisation ist gefragt. Für jede Einstellung gibt es außerdem nur einen Durchlauf; der erste Take gilt.

In der Postproduktion werden die Dialoge hier und da mit Comedy-Lachern unterlegt. Die Straßenszenen und die Konferenzszenen wechseln im fertigen Film einander ab und markieren ohne explizite Bezugnahme jeweils einen neuen ›Akt‹.

 

-[Drehbuch (PDF)]->