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der müller und der papst

16.07.2008 | berlin

In diesem schnieken Motorschlitten durchschnitten wir den Kanal, rammten einige Boote am Ufer und landeten schließlich in der Böschung. Steven kaufte das Fahrrad zu einem übersteigerten Preis, um seinen Mitbieter zu demütigen. Er gehört zu den Leuten, die einen goldenen Hahn in der Tasche haben und im Hirn ein Leck.

Und dann ist der Papst gestorben. Der Papst starb auf einem Schiff. Ich versenkte ihm zu Ehren eine Kristallkugel im Meer, groß wie ein hochschwangerer Bauch. Trotz ihres massiven Gewichts tauchte sie wieder auf. Du machtest mir Vorwürfe ob meiner Leichtsinnigkeit. Der Papst wurde davon auch nicht wieder lebendig.

Eine Siebzehnjährige, ich habe ihren Namen vergessen, stieg durch meinen löchrigen Türverschlag und bat um Asyl. Ich hielt sie für fett, denn sie aß meine Vorräte und wollte nicht wieder gehen, aber ich irrte; beim näheren Hinsehen war sie quirlig und rank. Jan hat sie gekannt. Später suchte meine Mutter mich in meiner fremden Wohnung auf und wollte, dass ich die Musik umprogrammiere. Wir machten Stretchübungen auf dem Fußboden im Flur. Meerwasser löste sich aus unserer Kleidung und bildete Pfützen.

Grasend strolcht die Katze durch die Blumentöpfe, Erinnerungen in der Nase von einer Zeit. Ich sitze aufrecht im Bett und knabbere Zwieback. Von Posaunen geweckt, die durch die Straßen ziehen mit ihrer fidelen Dreistigkeit, denke ich, wie es war, damals. Wie es war, wie es war, wie es war…mer Wind streicht durch die Halme, summend pflücke ich diesen Strauß für dich, mein Liebster, Vergissmeinnicht. Die letzten Meter im Sturm, stoße ich die Tür zur Mühle auf. Wo ist dein Schuh? Im Nebenraum brummen Fliegen um die offenen Münder von – Frau und Kind? Du hast mir nicht gesagt, dass du eine Familie hast. Ich kam vom Schloss und wollte keinen Prinzen, doch der Müller hängt wie ein Sack Mehl vom Gebälk. Ich wasche meine Hände im Bach, der Bach färbt sich rot. Durch das Mahlen meiner Zähne höre ich, wie das Glas auf den Fliesen zerspringt. Ich starre auf die Scherben in meinem Bauch.

In einer anderen Zeit konntest du, mein Vater, es nicht erwarten, dich mit mir zu vermählen. Aus Angst, mich diesmal zu versäumen, sollte ich mich dir schon als Kind versprechen.

Das Spiel des Lebens? Es gilt, den Schöpfungsprozess unter den Begrenzungen der Materialität zu entdecken und wer als Erstes die meisten Wohlfühlpunkte hat, hat gewonnen.

Wie heißt du, Engel der Worte? / ONTEA. / Führe mich an den Fluss.

melodrama mit melonenaroma

25.03.2008 | berlin

Sandburger und Krebszangen zwischen den Zähnen holst du deinen Kopf aus der Kühlbox, du wirst ihn morgen wieder brauchen. Heute gratulierst du allen Logikfanatikern zu ihrem Magengeschwür. Schließlich hat die Sonne dein Schwimmabzeichen an ihren ausgefransten Kragen genäht. Zu viel Säure ist auch für deine Fingernägel nicht gut. Unsinn, was für ein (absurdes) Wort. Dabei haben wir uns gestern noch darüber verständigt, wie die Katze auf ihren Schnurrhaaren umherstakst und beim Häkeln mit den Beinen klappert.

trittsteine

01.02.2008 | berlin

Macht man sein Leben nicht zum Drama, um davon abzuschreiben? Sich in den Wortfluss zu stürzen hilft immer (und Salbei beruhigt die Stimme). Da gurgeln Trittsteine aus dem Flussbett, glitschig und aufregend wie du und ich. (Boy, you' re so venus!) Mit Zungen aus Zuckerwatte saugst du an meinen Näpfen. Spricht das Burgfräulein: Lass dich meine Spalte ritzen, lass mich deine Hose schlitzen, steilauf zum Degengruß!

Nicht das All bewegt sich, sondern mein blanker Schädel unter der Perücke. Der blanke Wahnsinn. Müpfst dich auf mit deinen langen Locken und lachst dem Leben eine krumme Nase. Das ist keck, das ist Kunst, das begeistert die Leute, am meisten mich selbst. Heute ist nur leider kein Perückentag. Heute ist ein Tag, an dem man besser die dicken Socken anbehält und den rosa Nicki mit Bauchbeutel.

space cube

23.01.2008 | berlin

Dort, ins Würfelweltall, wo aus der Wandverkleidung Raubtiere röhren, dorthin narr ich dich, blind, dort erspähst du mich, Wolf, dort lieg ich auf fahlem Licht, nackt. Mit Silberkugeln schellst du an meinem Muschelgrund, bezüngelst du mein Zierfischbecken, eine blaue Stunde lang treibst du mir deine Flusen ein, dass wir am Anfang vom Ende Orchideenmäuler aus dem Waschtrog pflücken und uns mit Sekt bespucken. (Boy, your're so nasty!)

einschüsse

21.09.2007 | berlin

Während er noch neben mir schläft und seine gegelten Strähnen nach allen Richtungen aus meinen Kissen stehen, erscheinen Sätze in meinem Kopf, sexuelle Sätze, die er sagt, auf einer Theaterbühne sagt, ein theatrales Setting, Sätze, Klänge, Gesten, Figuren, Bühnenbild – Publikum? My Venusboy in Furs, schreibend, dabei Klang erzeugend, unter dem Pelz ist sein Oberkörper nackt bis auf eine silberne Halskette, verzerrte Stimmen, Satzfetzen, er schreibt manisch.

Sie sagt: Ich brauche deine Aufmerksamkeit. Sie sagt: Schau mich an. Nein, nicht so, schau mich anders an, schau mich bewundernd an oder nein: zärtlich. Er schaut nicht, er schreibt, manisch, ihre Stimme echot in seinem Stift, hallt wider in einem leeren Raum, einer Kapelle vielleicht, Stöhnen, Schluchzen, Moonriver, A Silent Cry. Sie kniet am Boden, am Bühnenrand. Aus dem Hinteren der Bühne tritt eine Gestalt hervor...

Ich erlaube mir literarisch immer weniger im Zusammenhang zu schreiben, weil eben auch nichts linear zusammenhängt in dieser Welt, in meinem Kopf, alles nur Einschüsse, Fragmente. Ist Kausalität, ist das logische Prinzip überhaupt noch interessant? Und wenn ihr Saft dann ihre Schenkel runterläuft.

Ich schreibe zunehmend atonal. Kein Anfang, kein Ende, dramatische Steigerung allenfalls ziellos, die Klimax, wenn vorhanden, wahllos, kein turning point, weil Erwartungen gar nicht erst systematisch aufgebaut werden. Inkohärenz als literarisches Stilprinzip und alles von vornherein synästhetisch angelegt. Ich kann fast nur noch in theatralen Settings denken, bis zur Beleuchtung erscheint alles glasklar vor meinem inneren Auge, auch musikalische Elemente.

Die Sätze, die ich ihn sagen lasse, machen mich geil. Seine Intonation meiner Sätze, seine Stimme in meinem Kopf. Er ist längst wach. Sein Schwanz, der sich in meine Handhöhle bäumt. Seine Stimme an meinem Ohr. Ich blute.

für lara x. schiffer

07.09.2007 | berlin

Ich habe keinen Familennamen. Ich stamme von nirgendwo ab. Ich bin Maldorors Geschöpf und, was mir allerdings widerstrebt, ich bin das Geschöpf all jener, die mich anschauen. Eine Narzisse, die in den Augen der anderen statt ihre Pracht einen Schrumpfkopf erblickt. Schön ist das nicht. Ich esse mit den Fingern Spargelstangen aus dem Glas. Lara, ich hoffe, du wirst in der Psychiatrie nicht irre. Am Ende sind auch die Ärzte Künstler, von denen du dich modellieren lässt. Ich fürchte sogar, es ist noch schlimmer: Psychiater formatieren ihre Patienten (wie eine Festplatte).

PS. Wir glauben übrigens, dass du nur eine Idee bist. Macht das einen Unterschied?